Übertragungswagen nimmt wieder seinen Dienst auf
Verein präsentiert am
Sonnabend Fahrzeugtechnik aller Art
VON DIRK SKRZYPCZAK,
14.07.09,18:48h,aktualisiert 14.07.09, 21:36h
Der Motorsportclub Fläming Coswig lädt am
Sonnabend zum Old- und Youngtimertreffen auf der
Crossstrecke am Flämingbad ein.
(FOTO: ACHIM KUHN)
COSWIG/MZ.
In einer Lagerhalle im Coswiger Industriegebiet steht
Heiko Fritzsches ganzer Stolz: ein hellblauer
Mercedes-Lkw mit Kastenaufbau, flüchtig betrachtet
gleichwohl kaum eine Besonderheit. Der Stern musste aus
dem Grill weichen, weil die Technik, die der LP 2224 in
seinem Koffer trägt, der DDR den Eintritt in das
multimediale Farb-Zeitalter ermöglichte. Und die Mär von
der Überlegenheit des Sozialismus hätte sicher schon
früher Kratzer bekommen, wenn für jeden gleich sichtbar
gewesen wäre, dass ausgerechnet die Technik des
Klassenfeindes den Arbeiter-und-Bauernstaat ins rechte
Licht rückte.
Öffentlichkeit wird informiert
Mit dem Start des Farbfernsehens kam der FÜ 7 genannte
Übertragungswagen 1972 in die DDR und war bis nach der
Wende im Einsatz. Heute ziert er den Fuhrpark des
Motorsportclubs Fläming Coswig.
Zum Old- und Youngtimertreffen am 18. Juli auf der
Crossstrecke am Flämingbad will die
Interessengemeinschaft Studiotechnik Fernsehen, die sich
im Verein gebildet hat, den Bildübertragungswagen und
das dazu gehörende, mobile Tonstudio erstmals der
Öffentlichkeit präsentieren. "Das Fahrzeug wird voll
funktionsfähig sein. Wir haben an dem Tag zwei
Fernsehkameras im Einsatz und zeigen, wie die Aufnahmen
verarbeitet werden", sagt Heiko Fritzsche, der die
Abteilung Old- und Youngtimer im MC leitet. Es sei ein
Kraftakt gewesen, den FÜ 7 mit seinen Räumen für
Technik, Bildbearbeitung, Regie und Sendung wieder flott
zu bekommen. Als die Coswiger im Winter 2002 zugriffen,
wartete auf den Mercedes die Schrottpresse. Dieses
bittere Schicksal blieb ihm ebenso erspart wie den etwa
100 anderen "fahrzeugtechnischen Kulturgütern"
(Fritzsche) von Ausstellern aus ganz Deutschland, die
zum Oldtimertreffen zwischen 10 und 18 Uhr gezeigt
werden.
Die Gastgeber präsentieren selbst eine imposante Armada.
Von den 70 Vereinsmitgliedern teilen 19 die
Sammelleidenschaft für die motorisierten Fossile. Ihr
Schwerpunkt liegt auf Nutzfahrzeugen des DDR-Alltages.
50 Exponate zählt der liebevoll gehegte Bestand heute,
zu dem auch Pkw und Kräder gehören. Das Beste daran: 75
Prozent sind bewegbar. "Ein Fahrzeug darf nicht nur
herumstehen. Das wäre Gift", erzählt Fritzsches Vater
Osmar, Chef des Gesamtvereins, der mit Genuss einen Ifa
F8 von 1952 mit Holzrahmen steuert. Hans-Jürgen
Hillebrandts Herz schlägt hingegen vor allem für die
Motorräder. Zwölf Modelle nennt er sein Eigen, das
älteste - eine DKW SB 200 A Luxus von 1935 - parkt in
einem Suhler Museum. "Die Maschinen sind mein Hobby und
meine Sucht", sagt er und lässt den Motor einer
Sport-Awo 425 S, Erstzulassung 28. April 1957, bollern.
30 Jahre hatte die Simson in einer Scheune ihr
kümmerliches Dasein gefristet. Für einen Kasten Bier
konnte sie Hillebrandt einst ihrem Vorbesitzer aus
Rostock abluchsen.
Geschichten hinter Geschichte
So gibt es zu fast jedem Old- und Youngtimer im Verein
eine menschliche Geschichte hinter der automobilen Vita.
Da wäre zum Beispiel ein grauer B 1 000 von 1983. Den
Coswigern ist der Transporter mit seiner singenden
Kraftquelle hinter der Motorhaube in guter Erinnerung.
Der Lastesel gehörte Albert Schmidt, leider mittlerweile
verstorben, der bis ins hohe Alter den Eisenwarenladen
in der Friederikenstraße führte und bis zuletzt den B 1
000 allen neumodischen Gefährten vorzog. "Ich kann ihn
verstehen", meint Holger Ludwig. Der Vereinspressewart,
beruflich Autoverkäufer, nutzt jede Gelegenheit, um mit
seinem Skoda 105 L (Baujahr 1979), eine Runde zu drehen.
"Sich auf das Wesentliche zu besinnen, ohne den ganzen
technischen Schnickschnack, ist für mich ein Ausgleich
zum hochgezüchteten Alltag."
Umzug aufs Vereinsgelände
Längst bedienen sich Produktionsfirmen der Coswiger
Dienste. Dann knattern Vereinsfahrzeuge als authentische
Requisiten vor Kameras hin und her. Seit 2000 werden in
Coswig zudem regelmäßig Old- und Youngtimertreffen
organisiert. Bislang war die Schau Teil des
Laurentiusmarktes in der Innenstadt; allerdings hat sie
Dimensionen erreicht, die die zentrumsnahen Kapazitäten
sprengen. Daher wird der MC Fläming am 18. Juli mit der
Parade erstmals auf die vereinseigene Crossstrecke
umziehen. Und weil sich die Piste wunderbar für das eine
oder andere Spektakel eignet, sollen beispielsweise
Offroad-Pioniere ihre Wühlkünste demonstrieren. Dank des
geretteten Fernsehübertragungswagens lernen die Bilder
später auf der Mattscheibe das Laufen.
Alle Informationen zum MC Fläming Coswig (Anhalt) und
seinen Fahrzeugen finden Interessenten im Internet unter
www.mcflaeming.de
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Ein Stück Geschichte auf der Crossstrecke a. Flämingbad
Erstmals stellt der Motorsportclub Fläming seinen
Bildübertragungswagen der interessierten Öffentlichkeit
vor
VON NADINE PUHLMANN,
19.07.09, 19:28h, aktualisiert 19.07.09, 21:28h
Der Bildübertragungswagen FÜ 7 hat einst
beim DDR-Fernsehen seinen Dienst getan. (FOTO: NADINE
PUHLMANN)
COSWIG/MZ.
Die Präsentation des Coswiger Motorsportclubs Fläming
ist Tradition. Bislang hatten die Vereinsmitglieder
jedoch jedes Jahr die Plattform des Coswiger
Laurentiusmarktes genutzt, um ihre Fahrzeuge der
Öffentlichkeit zu zeigen. Für die imposante Armada des
Vereins reichte jedoch der Platz nicht mehr aus, so
zogen sie in diesem Jahr erstmals auf die vereinseigene
Crossstrecke am Flämingbad. Dort konnten die Old- und
Youngtimer in Aktion dem Publikum vorgeführt werden.
Das eigentliche Herzstück der Fahrzeugsammlung stand in
unmittelbarer Nähe des Eingangs und lockte zahlreiche
interessierte Gäste, die sich die Technik des
DDR-Bildübertragungswagens FÜ 7 erklären ließen. Seit
2002 ist das Fahrzeug im Besitz des Vereins und hat
bislang jede Menge Arbeit gekostet. Zum Treffen hatten
die Vereinsmitglieder es aber geschafft, den
Übertragungswagen und das mobile Tonstudio
funktionsfähig zu machen.
Auf dem Gelände der Crossstrecke hatten Heiko Fritzsche
und sein Team Kameras aufgestellt, die das Geschehen
filmten. Die Zuschauer konnte sich dann im Wagen im
wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von der
Übertragungstechnik im Osten machen. Was verwundert, das
Fahrzeug und seine Technik waren 1972 schon der Eintritt
in das multimediale Farb-Zeitalter, was vielen Bewohnern
der DDR erst nach der Wende zuteil wurde. Der FÜ 7 hat
vier Kameras und war vornehmlich bei politischen
Sendungen der DDR, Sportübertragungen und dem "Kessel
Buntes" im Einsatz. Er ist mit Westtechnik, die auch
beim ZDF und der ARD damals benutzt wurde, ausgerüstet.
"Wir haben das Fahrzeug zwar schon im Winter 2002 vor
der Schrottpresse gerettet, aber erst im Frühjahr 2007
mit der Restauration begonnen", so Robert Nellen, der
dabei auf das Wissen von Peter Dorn zurückgreifen
konnte. Der ist gelernter Messingenieur und mit seinen
74 Jahren für den Verein unentbehrlich, wenn es um den
Aufbau der alten Bildübertragungswagen geht. Er selbst
hatte seinen Dienst im FÜ 6, dem Bruder vom FÜ 7, getan
und bereits beim Fernsehen der DDR gearbeitet.
Bei der Restauration ist die Beschaffung der defekten
Teile nicht das Problem. Vielmehr hält die stundenlange
Suche nach den Fehlern auf. Bislang haben es Robert
Nellen und Peter Dorn geschafft, zwei Kameras zu richten
und die Bildtechnik wieder auf Vordermann zu bringen.
Als nächstes steht die Schnitttechnik an und dann auch
sicher die äußerliche Reparatur des Wagens. "Schwer wird
es für uns immer, wenn wir große Teile wie Bildröhren
oder Kameraelemente aus der Zeit von damals benötigen.
Die sind nicht so leicht zu bekommen", sagt Nellen. Die
Resonanz des Publikums auf den historischen
Bildübertragungswagen war indes groß.
Zu bestaunen gab es am Samstag aber noch vieles mehr.
Etwa 100 Aussteller aus dem gesamten Gebiet der neuen
Bundesländer waren gekommen, um ihre Gefährten zu
zeigen, wobei die ältesten Modelle fast 50 Jahre auf dem
Buckel haben und trotzdem noch voll funktionsfähig sind.
Für die Besucher gab es zudem Landmaschinen,
Stationärmotoren und Geländefahrzeuge in Aktion zu
sehen, und wer wollte, der konnte mit einigen Oldtimern
sogar über die Crossstrecke knattern. |
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